Rebecka Edgren Aldén - Die achte Todsünde
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Rebecka Edgren Aldén - Die achte Todsünde
 
Rebecka Edgren Aldén - Die achte Todsünde
Hier können Sie Probelesen in einem Buch des Autors Jo Nesbø.
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Gebundene Ausgabe
704 Seiten
Ullstein HC Verlag
Erscheinungsdatum:
Februar 2010
Sprache: Deutsch
Übersetzung:
Günther Frauenlob
Originaltitel: "Panserhjerte"


Kurzbeschreibung

Hongkong: Im Dunst der Garküchen und Drogenhöhlen dämmert einsam ein Mann vor sich hin. Kommissar Harry Hole ist am Ende, er hat alle Brücken hinter sich abgebrochen, die chinesische Mafia ist ihm auf den Fersen. Gleichzeitig erschüttert Oslo eine Serie grotesk-grausamer Morde.
Die junge Kommissarin Kaja schafft es schließlich, Harry zurückzuholen. Schon bald wird er immer tiefer in den Fall hineingezogen. Der Täter erweist sich als äußerst unberechenbar und intelligent. Er arbeitet mit einem perfiden Mordwerkzeug, das lautlos und quälend langsam tötet. Die Spuren führen Harry von einer einsamen Hütte im norwegischen Hochgebirge bis nach Ruanda. Als er dem Killer gegenübersteht, muss er eine übermenschliche Entscheidung treffen

Dieser Titel erscheint Anfang Februar 2010


Leseprobe

Kapitel 1

Ertrinken

Sie wachte auf. Blinzelte in die Finsternis. Atmete mit weit aufgerissenem Mund durch die Nase. Blinzelte wieder. Spürte eine Träne über ihre Wange laufen, spürte, wie sie das Salz alter Tränen auflöste. In ihre Kehle rann kein Speichel mehr, ihre Mundhöhle war trocken und wie erstarrt. Die Wangen wurden von dem inneren Druck fest nach außen gewölbt. Der Fremdkörper in ihrem Mund schien ihren Kopf sprengen zu wollen. Was war das? Was war das bloß? Sie wäre nach dem Aufwachen am liebsten gleich wieder in der dunklen, warmen Tiefe versunken, die sie im Schlaf umgeben hatte. Die Spritze, die er ihr gegeben hatte, wirkte noch immer, aber sie spürte, dass die Schmerzen im Anmarsch waren. Spürte das an den langsamen, dumpfen Schlägen ihres Pulses und an der ruckweisen Bewegung des Blutes in ihrem Gehirn. Wo war er? Stand er direkt hinter ihr? Sie hielt den Atem an und lauschte. Es war nichts zu hören, aber sie spürte seine Anwesenheit.
Leopard. Warum dachte sie an einen Leoparden? Weil sie gelesen hatte, dass nur diese Großkatze nachts jagte? Der Leopard schleicht sich im Dunkeln an seine Beute an und bringt seinen Atem in Gleichklang mit deinem. Hält den Atem an, wenn du den Atem anhältst. So kann er ganz dicht hinter dir stehen, ohne dass du seine Anwesenheit bemerkst. Sie bildete sich ein, seine Körperwärme zu spüren. Worauf wartete er? Sie begann wieder zu atmen. Und meinte, im selben Augenblick den Atem eines anderen in ihrem Nacken zu spüren. Sie wirbelte herum und schleuderte ihren Arm nach hinten, traf aber nur Luft. Dann kauerte sie sich zusammen und versuchte sich klein zu machen, sich zu verstecken. Es war sinnlos.
Wie lange war sie betäubt gewesen?
Die Betäubung versagte einen Augenblick. Für den Bruchteil einer Sekunde. Lange genug, um ihr einen Vorgeschmack zu geben.
Auf das Versprochene. Das, was kommen würde.

Der Fremdkörper, der vor ihr auf dem Tisch lag, hatte die Größe einer Billardkugel, war aus glänzendem Metall mit kleinen, ausgestanzten Löchern, Figuren und Zeichen. Aus einem Loch ragte ein roter Draht mit einer Schlinge hervor. Sie musste unwillkürlich an den Weihnachtsbaum denken, der in sieben Tagen, am Abend vor dem Heiligen Abend, bei ihren Eltern geschmückt werden würde. Mit glänzenden Kugeln, Weihnachtsmännern, Körbchen, Kerzen und norwegischen Flaggen. In acht Tagen wollte sie Weihnachtslieder singen und in die strahlenden Augen ihrer Nichten sehen, wenn diese die Geschenke auspackten, die sie für sie besorgt hatte. Was sie nicht alles anders machen würde! So viele Tage, die sie intensiver leben würde! Wahrhaftiger, erfüllt von Freude, Leben und Liebe. Sie dachte an all die Orte, an denen sie nur vorbeigekommen war, die sie noch sehen wollte. An die Männer, die sie getroffen hatte, und an den einen, dem sie noch nicht begegnet war. An den Embryo, von dem sie sich im Alter von siebzehn Jahren getrennt hatte, und an ihre noch ungeborenen Kinder. An all die Tage, die sie in dem Glauben vergeudet hatte, noch so viele vor sich zu haben.
Dann konnte sie plötzlich nur noch an das Messer denken, das ihr an die Kehle gehalten wurde. Und an die sanfte Stimme, die sie aufforderte, die Kugel in den Mund zu nehmen. Sie hatte es getan, natürlich hatte sie es getan. Mit hämmerndem Herzen hatte sie den Mund so weit aufgerissen wie nur möglich und die Kugel hineingeschoben, bis nur noch der Draht heraushing. Das Metall hatte salzig und bitter geschmeckt wie Tränen. Danach hatte er ihren Kopf nach hinten gezwungen, und die Stahlklinge des Messers brannte auf ihrer Haut, als er sie mit der flach en Seite an ihren Hals drückte. Die Decke des Raums wurde von einer Lampe erhellt, die in einer Ecke an der Wand lehnte.
Grauer, nackter Beton. Außer der Lampe gab es nur einen weißen Campingtisch, zwei Stühle, zwei leere Bierflaschen und zwei Menschen. Ihn und sie.
Buchtipp
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Sie hatte den Geruch seiner Lederhandschuhe wahrgenommen, als er mit dem Zeigefinger leicht an der roten Drahtschlinge gezogen hatte, die aus ihrem Mund hing. Und im nächsten Augenblick war es, als explodierte ihr Kopf. Die Kugel hatte sich ausgedehnt und drückte nun gegen die Innenseite ihrer Mundhöhle. Egal wie weit sie die Kiefer öffnete, der Druck blieb konstant. Er hatte ihren aufgerissenen Mund konzentriert und mit sichtlichem Interesse untersucht, wie ein Zahnarzt den Sitz einer Klammer kontrolliert. Der Anflug eines Lächelns hatte seine Zufriedenheit signalisiert. Mit ihrer Zunge spürte sie den Noppen nach, die aus der Kugel herausragten und sich gegen ihren Gaumen pressten, gegen das weiche Fleisch unter ihrer Zunge, gegen die Innenseite ihrer Zähne und gegen ihr Zäpfchen. Sie hatte versucht zu sprechen, und er hatte aufmerksam den unartikulierten Lauten gelauscht, die aus ihrem Mund gedrungen waren, genickt, als sie es schließlich resigniert aufgab, und eine Spritze hervorgeholt. Der Tropfen an der Nadelspitze hatte im Licht der Taschenlampe geglitzert, als er ihr ins Ohr flüsterte:
»Rühr den Draht nicht an.«
Wenige Sekunden nachdem er ihr die Spritze in den Hals gesetzt hatte, war sie ohnmächtig geworden.

Sie lauschte ihrem eigenen panischen Atem und starrte in die Dunkelheit.
Sie musste etwas tun.
Sie presste die Handflächen auf den Sitz des Stuhls, der von ihrem Schweiß ganz klamm war, und stand auf. Niemand hinderte sie daran.
Langsam und mit kurzen Schritten ging sie bis zur Wand und tastete sich daran entlang, bis sie eine kalte, glatte Fläche unter ihren Fingern spürte. Die Metalltür. Sie packte den Riegel und ruckte daran, aber er bewegte sich nicht. Verschlossen. Natürlich war die Tür verschlossen, was hatte sie denn gedacht? Hörte sie wirklich ein Lachen, oder war das Geräusch in ihrem eigenen Kopf? Wo war er? Warum spielte er auf diese Weise mit ihr? Sie musste etwas tun. Denken. Aber um richtig nachdenken zu können, musste sie diese Metallkugel loswerden. Die Schmerzen trieben sie bald in den Wahnsinn. Sie schob Daumen und Zeigefinger auf beiden Seiten in die Mundwinkel. Spürte die Noppen. Versuchte vergeblich, ihre Finger unter eine davon zu schieben. Sie musste husten und stellte panisch fest, dass sie keine Luft mehr bekam. Die Noppen hatten die Schleimhaut am Eingang ihrer Luftröhre stark gereizt, das Gewebe war angeschwollen, und sie lief Gefahr zu ersticken. Sie trat gegen die Metalltür und versuchte zu schreien, aber die Kugel erstickte alle Laute. Sie gab wieder auf. Lehnte sich gegen die Wand und lauschte. Hörte sie vorsichtige Schritte? Bewegte er sich durch den Raum? Spielte er Blindekuh mit ihr? Oder war es nur das Blut, das in ihren Ohren rauschte? Sie bereitete sich auf die Schmerzen vor und presste die Kiefer zusammen. Es gelang ihr aber nur kurz, die Noppen wieder zurück in die Kugel zu schieben, bevor sie ihren Mund erneut aufspannten.
Etwas tun. Denken.
Federn. Die Noppen waren gefedert.
Sie waren zum Einsatz gekommen, als er an dem Draht gezogen hatte.
»Rühr den Draht nicht an«, hatte er gesagt.
Warum nicht? Was würde geschehen?
Sie glitt an der Wand hinunter auf den Boden. Feuchte Kälte stieg von dem Beton auf. Sie wollte wieder schreien, schaffte es aber nicht. Stille. Schweigen. All die Worte, die sie an die von ihr geliebten Menschen hätte richten sollen, statt sich schweigend mit Leuten zu umgeben, die ihr egal waren.
Es gab keinen Ausweg. Nur sie und diesen wahnsinnigen Schmerz, ihr Kopf, der zu zerspringen drohte.
»Rühr den Draht nicht an.«
Wenn sie daran zog, würden die Noppen vielleicht zurück in die Kugel springen und sie von ihren Schmerzen befreien. Ihre Gedanken drehten sich im Kreis. Wie lange war sie schon hier? Zwei Stunden? Acht? Zwanzig Minuten? Wenn es so einfach war und sie wirklich nur an diesem Draht ziehen musste, warum hatte sie es dann nicht längst getan? Wegen der Warnung eines ganz offensichtlich kranken Mannes?
Oder war das Teil des Spiels? Sollte sie dazu verleitet werden, diesen vollkommen unnötigen Schmerz zu ertragen? Oder zielte das Spiel darauf ab, dass sie sich der Warnung widersetzte und am Draht zog, so dass… so dass etwas ganz Furchtbares geschah?
Was sollte denn geschehen? Was war das für eine Kugel? Es war ein Spiel, da war sie sich sicher, ein grausames Spiel. Denn ihr blieb keine Wahl. Die Schmerzen waren unerträglich, ihr Hals schwoll an, und bald würde sie ersticken. Noch einmal versuchte sie zu schreien, aber es wurde nur ein Schluchzen daraus, und sie blinzelte und blinzelte, hatte aber keine Tränen mehr.
Ihre Finger fanden den Draht auf ihren Lippen. Sie zog vorsichtig daran, bis er sich straffte.
Sie bedauerte, so viele Dinge nicht getan zu haben, keine Frage. Aber wenn ein Leben voller Entsagungen an einen anderen Ort als diesen führte, würde sie sich ohne Zögern für ein solches entscheiden. Sie wollte einfach nur leben. Egal, was für ein Leben. So einfach war das.
Sie zog den Draht heraus.

Die Nadeln schossen aus den Spitzen der Noppen. Sie waren sieben Zentimeter lang. Vier bohrten sich auf beiden Seiten durch die Wangen, drei in die Nebenhöhlen, zwei in den Nasengang und zwei weitere durch das Kinn nach außen. Eine Nadel durchbohrte die Speiseröhre und eine weitere den rechten Augapfel.
Zwei Nadeln stießen durch den hinteren Teil des Gaumens in das Gehirn. Aber das war nicht die Ursache ihres Todes. Wegen der Metallkugel, die den Mund blockierte, gelang es ihr nicht, das Blut auszuspucken, das aus den Wunden in ihren Rachen strömte. Stattdessen lief es in die Luftröhre und von dort weiter in die Lunge, wo es dafür sorgte, dass kein Sauerstoff mehr ins Blut aufgenommen werden konnte. Das wiederum führte zu einem Herzstillstand und das zu dem, was der Gerichtsmediziner in seinem Bericht als zerebrale Hypoxie bezeichnete, also Sauerstoffmangel im Gehirn. Mit anderen Worten: Borgny Stem-Myhre ertrank.

Danke an den Ullstein Verlag für die Veröffentlichungserlaubnis.

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